Winter Stiftung: Gesellschaftlicher Auftrag

Gedanken zum Weltfrauentag

Erinnern allein genügt nicht.

Weltweit ist der Internationale Frauentag vor allem in sozialistischen oder ehemals sozialistischen Ländern ein gesetzlicher Feiertag. Dies war einst ein Symbol des Respekts, doch längst ist es nur noch eine Fassade. In Europa ist die Situation ähnlich, wobei in Deutschland lediglich zwei Bundesländer bereit sind, den 8. März als gesetzlichen Feiertag anzuerkennen, um mehr Aufmerksamkeit und Raum für Ausdrucksformen zu ermöglichen.

Jana Dettmer, Abstrakte Farbfeldmalerei
Jana Dettmer, Diversity. Abstrakte Farbfeldmalerei

Sozialer Ausgleich und Respekt für ein menschenwürdiges Leben sind Grund genug für Veränderung und Demonstration - und das nicht nur im Namen der Frauen. Der Weltfrauentag sollte als ein Tag für alle verstanden werden, die sich für Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Dies setzt jedoch eine echte Bereitschaft für soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt voraus. Die Winter Stiftung und alle beteiligten Künstler:innen und Kulturschaffenden betonen wiederholt die Bedeutung von Achtsamkeit und engagiertem Einsatz für eine soziale Gesellschaft. Gerade Kunst ist geeignet, Träger von Ideen, Diskursen und Emotionen zu sein, und kann somit eine Brücke zwischen Menschen und verschiedenen Weltanschauungen schlagen.
Die Bandbreite der Misshandlungen von Frauen reicht von subtiler, alltäglicher Degradierung bis hin zu Femiziden und staatlich organisiertem Sadismus. Die Aufgabe der Winter Stiftung erstreckt sich nicht nur auf die Förderung und Vermittlung von Kunst, sondern auch aus guten Gründen auf Kultur und Soziales. Auf der Suche nach neuen Perspektiven und einem umfassenderen Verständnis der Welt müssen wir stets die Realitäten im Auge behalten und uns ihrer bewusst werden.

Monika von Eschenbach, Diverse barcode 0, 2020, mixed media, Print
Monika von Eschenbach, Diverse barcode 0, 2020, mixed media, Print

Frauenrechte sind Freiheitsrechte.

Der 8. März - der Internationale Frauentag - könnte ein Tag der Freude sein, an dem wir unsere Dankbarkeit dafür zum Ausdruck bringen, dass wir ohne Frauen nicht existieren würden. Stattdessen macht dieser Gedenktag verstärkt darauf aufmerksam, dass Ungleichheit und Ungerechtigkeit weiterhin bestehen. Es ist deshalb ein Tag, an dem deutlich werden sollte, dass nur sozialer Ausgleich und Respekt ein menschenwürdiges Leben ermöglichen können.

Angst vor der Stärke der Schwachen.

Der 8. März erinnert uns schmerzlich daran, dass aufgrund von Bosheit, Gier und Dummheit fortwährend Unterdrückungsversuche stattfinden. Soziale Faktoren wie Geschlecht, Ethnie, Alter, sexuelle Präferenzen oder Behinderungen, die individuell nicht veränderbar sind, tragen stärker zur Unterdrückung bei als solche, die prinzipiell beeinflussbar sind. Frauen, die unteilbare Hälfte der Menschheit, werden in nahezu allen Gesellschaften weiterhin gleiche Rechte abgesprochen oder eingeschränkt. Doch beide Geschlechter sind Teil eines  Ganzen mit ähnlichen Fehlern und Vorzügen. Die Missachtung der Menschenwürde ist in vielen Bereichen auf kaum wahrnehmbare Weise bis hin zur brutalsten Unterdrückung erkennbar. Dies geschieht durch Ausgrenzung aus verschiedenen Lebens- und Wirtschaftsbereichen sowie durch Körperverletzung und Degradierung. Doch was ist mit den Männern? Sind sie automatisch die "Teufel" oder doch nur die schlimmsten Opfer? Diese Vorstellungen sind erschreckend, denn sie bedeuten nicht automatisch ein Vergehen von Männern an Frauen, sondern grundsätzlich von Menschen an anderen Menschen. Es gilt, der Macht des scheinbar Stärkeren entgegenzutreten. Frauen werden traditionell als "Sünderinnen", als Verführerinnen dargestellt, vor denen Männer geschützt werden müssen. Dies geschieht auf verschiedene Weisen, von Ausgrenzung bis hin zur brutalsten Unterdrückung. Dem müssen wir jederzeit und überall entgegentreten. Menschenrechte und Menschenwürde sind keine persönlichen Vorlieben, ihre Missachtung ist Barbarei. Es sollte eine der vornehmsten Pflichten eines demokratischen und aufgeklärten Staates sein, Verstößen gegen die Menschenwürde nachzugehen und sie mit allen Mitteln zu ahnden. Es ist auch unsere Pflicht, Kinder und Jugendliche zu schützen, zu informieren und Ausgrenzungen zu bekämpfen. Frauenrechte sind nicht isoliert zu betrachten, sondern müssen sich in den Schutz für Kinder, Kranke und Schwache jeder Art einfügen, denn Menschenrechte und Menschenwürde sind unteilbar.

Heinz Zolper, Dame als Symbol. Multiple I Schmuckanstecker. ArtForum Editions
Heinz Zolper, Dame als Symbol. Multiple I Schmuckanstecker. ArtForum Editions

Dame als Symbol. Multiple / Schmuckanstecker, ArtForum Editions. Die Winter Stiftung Hamburg unterstützt das Engagement für Frauenrechte mit der Verbreitung einer Ansteckbrosche (Entwurf Heinz Zolper. Emaille auf Eisen, handgefertigt, signiert), die nicht nur gut aussieht und schmückt, sondern mit der man(n) auch öffentlich Position beziehen kann für die Rechte der Frauen, gegen Intoleranz und für Menschenwürde. Gerade in der Zeit des aktuellen Krieges wird es auch ein wichtiges Zeichen für Frieden und Gesprächsbereitschaft. Zu bestellen unter info@artforum-culture-foundation.org zum Preis von 50,-EUR zuzüglich 5,90 Porto. Der Erlös wird für soziokulturelle Zwecke verwendet. 

Es ist nie zu spät.

Betrachtet man die Doppelbelastung von Frauen zwischen Familie und Beruf, so zeigt sich immer noch eine Welt, in der Frauen zwischen den Ansprüchen einer Männerdomäne eingeklemmt sind, die nicht nur aufgrund fachlicher Qualitäten dominieren möchte, sondern als Träger eines vermeintlich überlegenen Geschlechts. Das tägliche Verhalten, dem Frauen unabhängig von ihrer Ausbildung und beruflichen Stellung seitens der Männerwelt - und auch von Frauen, die sich aus Unvernunft oder Opportunismus auf die Seite der Mächtigen stellen - ausgesetzt sind, bleibt bemerkenswert bis hin zu irritierend und sogar hasserfüllt. Viele Männer sind nach wie vor nicht bereit, die Rolle, die sie nach einer langen Zeit des Matriarchats übernommen haben, und die damit einhergehenden Übergriffe abzulegen. Das Primatenverhalten von Männern, insbesondere solcher, die sich als Alpha-Männchen gerieren, obwohl ihnen die nötigen Fähigkeiten fehlen, mag den Weg zur Gleichberechtigung nicht mehr grundsätzlich verhindern, aber es behindert ihn erheblich.

Der Blick auf Frauen und ihre Chancen verdeutlicht, dass sie bei gleichen Voraussetzungen sogar Männer übertreffen können. Frauen erzielen heute oft bessere und schnellere Abschlüsse als ihre männlichen Kommilitonen, sogar in den Bereichen Ingenieurwesen und Naturwissenschaften. Studien aus Großbritannien zeigen, dass von Frauen operierte Patienten ein geringeres Risiko tragen. Frauen sind oft die erfolgreichen Anleger im Finanzsektor und leben im Durchschnitt länger als Männer, möglicherweise aufgrund ihrer Ausgeglichenheit und geringeren Anfälligkeit für Depressionen im Vergleich zu männlichen Geschlechtsgenossen. Dies sollte Anlass zur Hoffnung und Ansporn sein, denn von Frauen zu lernen, nützt der gesamten Gesellschaft. Aber auch im Kunstbereich, dem durchweg große Toleranz unterstellt wird, sind Frauen immer noch in der Minderheit und vor allem, sie haben nicht die gleichen Chancen bei gleicher Qualität. 

Zieleke, Corinna. Die weibliche Sicht auf die Welt
Zieleke, Corinna. Die weibliche Sicht auf die Welt

Keine Toleranz für körperliche, psychische und wirtschaftliche Gewalt.

Eine Situation, die fast alle Frauen betrifft, sind die Aggressionen, denen sie täglich innerhalb ihrer Familien und insbesondere allein unterwegs, besonders abends oder nachts, ausgesetzt sind. Allein die Angst, die viele Frauen und Kinder täglich erleben, ist erschreckend. Dies wurde noch einmal besonders deutlich während der Pandemiezeit. Der Schaden durch Kriegshandlungen ist noch eimal überdimensional größer. Man kann es drehen und wenden, wie man möchte, Männer - aber auch unterstützende Frauen - tragen entscheidende Verantwortung für dieses Desaster, einschließlich der Trennung von Familien und Paaren in Kriegszeiten. Es scheint, dass etwas in der Erziehung der Menschen fortwährend komplett aus dem Ruder läuft, wenn man bedenkt, dass die meisten Männer von Müttern erzogen werden und diesen Müttern sogar eine hohe Kernkompetenz zugestanden wird. Wie kann es dann zu Respektlosigkeit gegenüber Frauen oder den vermeintlich Schwächeren kommen? Liegt es daran, dass Mütter ihren Söhnen eigene Vorstellungen von Anführerschaft und Sieg - Eigenschaften, die ihnen zugeschrieben werden - einprägen? Was wäre, wenn Mütter, Ehefrauen, Freundinnen und Schwestern Männer davon abhielten, in den Krieg zu ziehen? Dann wäre Krieg unmöglich, aber Konflikte blieben. Diese zu lösen erfordert jedoch nicht ausschliesslich stumpfe Gewalt, sondern vor allem Empathie und Intelligenz von allen Menschen. Kriege und Unterdrückung entstehen immer aus Gier, es braucht aber auch die Angst und Dummheit so vieler Meschen. Deshalb sind Bildung und Solidarität die wesentlichen Mittel zum friedvollen Miteinander.

Verschiedenheit als Grundprinzip des Lebens verstehen.

Eigentlich sollten in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen junge Menschen nach bewährten pädagogischen Konzepten auf das Leben vorbereitet werden. Leider sieht die Realität oft anders aus: Soziales Miteinander wird nicht gepflegt, Mobbing ist an der Tagesordnung; wobei nicht der Mobber, sondern das Opfer die Konsequenzen trägt. Man wird darauf vorbereitet, der Wirtschaft zu dienen, lernt bestenfalls, wie man Maschinen und Softwareprogramme entwickelt. Aber was haben wir erreicht, wenn nicht ein gesellschaftliches Miteinander die Grundlage unseres Lebens bildet?

(c) Ostrale Biennale I Anya Janssen, People Say I’m Different 4
(c) Ostrale Biennale I Anya Janssen, People Say I’m Different 4

Es geht immer um Respekt und Menschenwürde.

Die Rechte von Frauen sind die Rechte von Männern, von Kindern, von allen Menschen wie von der Natur. Menschenrechte sind unteilbar, jeder Mensch hat Anspruch auf die gleichen Rechte, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, sozialem Status, Geschlecht oder anderen Eigenschaften. Rechte bleiben jedoch wirkungslos, wenn sie nicht von Empathie und Intelligenz begleitet werden, wenn sie schwer durchsetzbar sind und oft dem Ermessen von Bürokraten und Richtern überlassen sind. Welche Frau hat schon die Privilegien wie Frauen in der Politik? Und dennoch scheinen auch sie gelegentlich für viele Männer Freiwild zu sein, offensichtlich Wesen zweiter Klasse. Hier liegt der Kern des Problems: Das tatsächlich existierende asoziale Mehrklassensystem, das von Respektlosigkeit gegenüber anderen getragen wird. Es geht nicht um Mann oder Frau, Kind oder Erwachsener, sondern zielsicher um den als schwächer Wahrgenommenen. Diese Unterscheidungen müssen aufhören, gesellschaftliche Gegensätze zu sein. Verachtung und der Wunsch nach totaler Unterwerfung, oft miteinander verbunden, machen das Leben unerträglich. Systeme, die den Menschen und die Natur nicht achten und respektieren, führen zwangsläufig zu Missachtung und Unterdrückung. Um dies zu verhindern, müssen wir damit abschliessen, in Geschlechtern, Klassen, Rassen und Kategorien zu denken, und erkennen, dass alles miteinander verbunden ist und wir nur durch Zusammenarbeit vollständig und zu besseren Menschen werden können. Dies erfordert Empathie, Liebe, Intelligenz und vor allem den Willen, das Leben zu gestalten.

(c) 2022-2024 Peter Merten/ S-Ae  (unter Verwendung eines Beitrags aus 2022)

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