Joe Brockerhoff: Retrospektive Tokyo

Ausstellung in der OAG, Tokyo 12. - 18. Juni 2023

Joe Brockerhoff war ein Düsseldorfer Künstler, gebürtig aus Leipzig und in Japan zu Hause. Er verstarb im Februar 2023. In Tokyo hat die OAG ihm seit 1988 immer wieder Ausstellungen seiner Werke veranstaltet hat, jetzt auch posthum eine Retrospektive mit einer Auswahl seiner Werke gewidmet. OAG, das ist die Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens; 1874 von Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Diplomaten in Tokyo gegründet.

Die Lebensweise und der künstlerische Stil von Joe Brockerhoff waren extrem stark durch die japanische Kultur geprägt. Bezeichnend für ihn waren eine meisterliche Kunstfertigkeit und eine überbordende Kraft Neues zu wagen. Er zählte zu der kleinen Gruppe avantgardistischer Künstler, unter ihnen Achim Duchow, Stephan Runge und Helmut Steinhauser, die in Japan und seinen Menschen seit den 1980 Jahren eine neue Heimat gefunden hatten. Er pendelte zwischen den Kontinenten und Kulturen, war vom asiatischen Leben so fasziniert wie vom bunten hedonistischen Treiben der Kirmes oder der Lebewelt. Beides spiegelt sich in seinen Bildern, manchmal ganz versteckt oder manchmal ganz offen in prallen bunten, mit äußerster Raffinesse gemalten Motiven wieder.
Im OAG kuratiert jetzt sein langjähriger Freund und Kollege Renato A. Pirotta seine Ausstellung aus diversen Leihgaben und dem künstlerischen Nachlass und ermöglicht damit eine Retrospektive seines Schaffens. Gezeigt werde einige große Originalwerke,  Fotobilder seiner lebenslangen Kunstthemen, täglichen Skizzen und digitale Kunst bis hin zu seiner Werlserie mit dem Titel „Schöner Mensch“. Wer nicht in Tokyo dabei sein kann, der kann sich virtuell über die Website der OAG einen Eindruck verschaffen und an der Einführung durch den Kurator auch direkt über Zoom teilnehmen.

Brockerhoff, Joe. Retrospektive , OAG Tokio. 1
Brockerhoff, Joe. Retrospektive , OAG Tokio. 1

Seine Kunst konnte man in den unterschiedlichsten Stellen sehen: in der Stadt Düsseldorf auf den Bistro-Tischen von Brasserien,  im Kulturprojekt Bordell  oder auf Autos von Rotlichtgrößen. Gleichzeitig ist sein Werk im Stadtmuseum Düsseldorf, dem Wirtschaftsmuseum NRW und zahlreichen öffentlichen und privaten Kunstsammlungen präsent. Als Künstler der legendären Beuys-Klasse wurde er ua. auch im Schloss Moyland, Krefeld, ausgestellt.

Brockerhoff, Joe - Let a peaceagain, Hiroshima Hiroden train, 1988. Courtesy Tomoko Nagakubo
Brockerhoff, Joe - Let a peace again, Hiroshima Hiroden train, 1988. Courtesy Tomoko Nagakubo

Besondere Beachtung fand er darüber hinaus in Ausstellungen und als Teil von Kunstsammlungen in der National Gallery Kuala Lumpur, im Ministerium der Präfektur Osaka, im Dubai Kulturzentrum, der Artforum collection, der Winter Stiftung u.a. Zu seinen bekanntesten japanischen Werken gehören „Hiroden Hiroshima Peace Train“ als Teil des  Projektes"Let's peace gain - Hoffnung und Utopie", 1988, und und „Fuji’s Tränen“. Gerade sein Projekt des Hiroshima- Friedenszuges war es, dass ihm internationale Aufmerksam bescherte. Aktuell ist durch die Kriegssituation in der Ukraine und durch das Filmepos "Oppenheimer" von Christopher Nolan die unheimliche Bedrohung durch Atomkraft wieder virulent.
Friedensprojekten hat Joe Brockerhoff sich zeitlebens verbunden gefühlt und sich in zahlreichen Kunstaktionen engagiert (z.B. Cyberfax  mit Achim Duchow, Michael Burger;  Musikperformance im Friedenspark von Hiroshima ). Seinem Faible für das asiatisch inspirierte Menschenbild konnte er umfassend mit der Ausstellung "Schöner Mensch", gleichalls im OAG 2016, nachgehen. Der designorientierten Definition von Schönheit und  damit einhergehenden Schwund der natürlichen Selbstdarstellung hat Brockerhoff die Faszination der japanischen Physiognomie entgegengestellt.  Hierbei , wie grundsätzlich in seinem gesamten Schaffen, sind die ästhetischen Prägungen aus japanischen Werteidealen unübersehbar.

 

Brockerhoff, Joe. LUXUS
Brockerhoff, Joe. LUXUS

Sein umfangreiches künstlerisches Schaffen umfasst außerdem digitale Kunst, Skulpturen, Photographie und Cartoons. Joe Brockerhoff war einer der weltführenden Airbrushkünstler und arbeitete auch überwiegend mit dieser Technik. Das Ergebnis sind Arbeiten, die sich herkömmlichen Verortungskriterien entziehen; Kunst, die nicht gegen ihre eigenen Grenzen kämpft, sondern sich dank der Sprühtechnik scheinbar grenzenloser Ausdrucksmöglichkeiten erfreut. Ob monochrom flächig, fotorealistisch, abstrakt oder oin zeichnerischen Analogoien, seine realen und surrealen Bildwelten sind zwischenmenschliche Verständigungsmedien, reflektieren ein zweckfreies Spiel der Gedanken.

Brockerhoff, Joe - Gemäldeaktion Soulympic , Japan
Brockerhoff, Joe - Gemäldeaktion Soulympic , Japan

Die Diskussion über Airbrush und Kunst erinnert dabei bis heute durchaus an die unterschiedlichen Meinungen zur Rolle der Fotografie in der Kunst. Je fotorealistischer Kunst ist und wird, umso stärker findet auch eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Kunst statt. Brockerhoff erschuf eine Kunst, die sich, befreit von politischen, ästhetischen und moralischen Wertbegriffen, gesetzten gesellschaftlichen Normen und (Konsum-) Ansprüchen verweigert. Bekanntes verliert in seinen Arbeiten eine uns gewohnte Identität, erscheint in seinen utopischen BIldwelten als ironische Provokation, gewollte Verletzung des Alltäglichen., als politisches Statement gegen ein in seinen Augen zu glatte und inhaltsleere Konsumwelt. Persönliche Freiheit, persönliches Glück - das sind die erstrebenswerten Ziele. Brockehroff belegt sie mit der Metapher Luxus, die Antipode zum Luxus-Verständnis unserer Gesellschaft. - Der Anspruch auf persönliche Freiheit und die Suche nach persönlichm Glück bestimmen seine Bildinhalte und seinen Stil, egal ob es sich dabei um surreale, traumhafte Erzählungen handelt oder seine Aktbilder hübscher Frauen. Die Airbrush-Technik ist dabei für Brockerhoff das einzige Malerwerkzeug, das es ihm erlaubt, in der Kunst diesen Anspruch einzulösen - frei und unabhängig von gängigen Stilvorgaben ( Gerhard Engerling, Direktor Goethe Institut Süd-Ost-Asien.)

Brockerhoff, Joe. Studio,15.04.2007. courtesy Artforum Culture Foundation
Brockerhoff, Joe. Studio,15.04.2007. courtesy Artforum Culture Foundation

 

Die Airbrush-Technik lässt auch die individuelle Handschrift eines speziellen Künstlers oftmals in den Hintergrund treten. Bei den traditionellen Maltechniken kann man diese Handschrift des Malers deutlich erkennen, da jede kleine Bewegung des Pinsels oder Zeichenstift direkt im Kunstwerk sichtbar wird. Sein Kunststil zeichnet sich durch die Verwendung lebhafter Airbrushfarben und kräftiger Pinselstriche aus. Bei Airbrush unterscheiden sich die Werke zwischen den Künstlern oftmals kaum, da ähnliche Vorlagen und Schablonen verwendet werden und Feinheiten mit der Airbrush-Pistole oft nicht umsetzbar sind. Pink, Grün, Blau, Rot - Farben, die man sich kaum auszudenken traut, nutzte Brockerhoff, um in wahrer Perfektion eine Idylle vorgaukeln, die sich indes schon auf den zweiten Blick als sehr trügerisch entlarvt. Denn anders als auf den ersten Blick zu vermuten, hat der Künstler nicht auf die Schönheit dieser Welt aufmerksam machen wollen, sondern auf das, was sie verloren hat.

Brockerhoff, Joe, Yen Samurai
Brockerhoff, Joe, Yen Samurai

 

Der Künstler verstarb am 12. Februar 2023. Der 1952 in Leipzig geborene Künstler studierte ab 1971 Bildhauerei und Malerei bei Joseph Beuys an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. 1973 folgte zusätzlich ein Studium der Philosophie an der Universität Düsseldorf. Zu seinen weiteren Künstlerfreunden zählten Sigmar Polke, Günter Mebusch, Fuji Akai, Heinz Zolper und Michael Jansen.

Brockerhoff, Joe. Retrospektive, Aus dem Nachlass
Brockerhoff, Joe. Retrospektive, Aus dem Nachlass

 

Berichte über Joe Brockerhoff: „Haus Kultur“ Reihe im Art Magazin „Apex“ – „Media Mafia“ –  Berichte im japanischen Kunst-Magazin Z-ZAI – Kritiken im Spiegel, /Stern und in verschiedenen Zeitungen. Preise bei Airbrush-Wettbewerben – Teilnahme an der Osaka Triennale 1993 –
Fernsehbeiträge u.a. auf: WDR – Kulturmagazin – VOX – Erotic Artshow – Hiroshima TV / NHK / ASAHI und Osaka TV.
Künstlerbücher und Kataloge u.a. :  Fujis Tränen; Morgenröte - Rote Sonne; Medien Mafia; Schöner Mensch; Love & Hate; Nihonnojidai; Morphoemallogy; Moment Mal; Meine Zeit, mein Raubtier;  der letzte Schrei.

oe Brockerhoff - Love fighters - painting
Joe Brockerhoff - Love fighters - painting

 

Joe Brockerhoff: Retrospektive Tokyo

Veranstaltungsort:
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (OAG)
OAG Haus
Minato-ku Akasaka 7-5-56
107-0052 Tokyo-to

Programm:

Am 14. Juni wird der Kurator Renato A. Pirotta einen Vortrag halten über das Lebenswerk Brockerhoffs, der insgesamt 10 Ausstellungen für die OAG gestaltete
Renato A. Pirotta, Dozent an der Rikkyo Universität Tokyo und  Senior Architect für Kume Sekkei. Von 1985 bis 2019 war er als Ausstellungsbeauftragter der OAG für insgesamt 10 Ausstellungen des Künstlers verantwortlich. Pirotta ist Mitglied des Vorstandes der OAG.

Hinweis: Als Beuys-Schüler produzierte Joe Brockerhoff auch einige Kunstwerke, die nur am Eröffnungstag (14.6.) im OAG-Saal gezeigt werden.

Vortrag
Joe Brockerhoff
Das Japanische Erbe seines Kunstschaffens

Zeit: 18.30-20.00 Uhr (Japan), 11.30-13.00 Uhr (MESZ)

Zoom-Link:
https://us02web.zoom.us/j/83362874128?pwd=cEFGeHlaaUIvckVvYlhtcDdicnVoUT09

Meeting ID: 833 6287 4128
Passcode: 247087
Keine Voranmeldung nötig!

 

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